Der Weltensammler - Roman by Ilija Trojanow

Der Weltensammler - Roman by Ilija Trojanow

Autor:Ilija Trojanow
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783446233560
Herausgeber: Carl Hanser Verlag Muenchen
veröffentlicht: 2011-08-24T04:00:00+00:00


Es dauerte einen langen Tag in der Wüste, bis er der Stadt entkommen war und der beschämenden Erinnerung. Den Horizont, dem er viele Stunden entgegenritt, wähnte er voller Verheißung, seine Sinne von Luft und Bewegung angeregt, geschärft wie ein Messer. Die Wüste war versehrtes Terrain, eine rauhe Ruine, die Erhebungen zerfurcht wie Walnußschalen, doch sie beflügelte Sheikh Abdullah, der sich am nächtlichen Lager lebendiger fühlte als in der Früh, im Innenhof der Karawanserei noch, neben einigen anderen Pilgern, die ihre Dromedare in die Gasse des Aufbruchs trieben. Hadji Wali und Sheikh Mohammed hatten ihn zum Stadttor begleitet, mit einer verbindlichen Geste des Abschieds, die ihn für eine Weile bedauern ließ, sie verlassen zu müssen. Sie baten ihn nur um ein Gebet am Grabe des Propheten, sie überschütteten den Freund, den Schüler, mit Segenswünschen. Er konnte sich an der kargen Landschaft nicht satt sehen, an dem blauschwarzen Gestein, das seine Farbe änderte, wenn sie näher kamen. In den Schluchten schien es ihm, als blicke er in die Eingeweide der Felsen, die Strähnen, die Lagen, die Knoten; ein Wachsen, das kein Mensch beobachten kann. Die Erde war nackt in der Wüste, der Himmel durchsichtig. Er genoß es, seinen eigenen Körper zu spüren, in der Steifheit der Muskeln, in den Schmerzen, die der Gewöhnung vorausgingen. Sie überquerten einige Wadis, hellsandige Flußläufe, breit wie die Sturmfluten, die sie mit einem Schlag ertränkten, öde bis auf die vertrockneten Erinnerungen. Nur drei Tage war Suez entfernt, aber diese drei Tage würden, das spürte Sheikh Abdullah am Abend, seinen Lebensgeist wiedererwecken. Schon jetzt fühlte er sich befreit. Die Anstrengungen waren willkommen, ebenso die Gefahren, die auf dieser Strecke kaum drohten, die ihn aber gewiß in der Wüste des Hijaz erwarteten. Kairo hatte ihm zugesetzt. Endlich konnte er sich dieses heuchlerischen Arztgehabes enthäuten, er konnte wieder der Typ von Mann sein, den er bewunderte: aufrichtig, großzügig, zielstrebig. Er blickte sich um, beobachtete die selbstverständliche Gastfreundschaft an jedem Lagerfeuer. Die Zivilisation war zurückgeblieben, sie traute sich nicht durch die Stadttore; nach einigen Tagen würde die starre Höflichkeit, das bornierte Verhalten abfallen. Wenn es nicht so unvorstellbar gewesen wäre, er würde auf den Hügel steigen, an dessen Fuß sie kampierten, und seine Euphorie in die Welt rufen, in Erwartung eines Echos, einer Bestätigung. Statt dessen trank er einen starken Kaffee. Weitere Stimulanz war unnötig. Allein der Gedanke an Alkohol war widerlich. Ob es dem albanischen Bashibazuk ähnlich erging, wenn er an seinen Posten im Hijaz zurückkehrte? Sein Appetit war gewachsen, er verschlang ein Essen, das ihm gestern noch ungenießbar erschienen wäre. Dann legte er sich in den Sand, das beste aller Betten, von einer Luft umgeben, die ihn gesunden lassen würde. Er hielt die Augen offen, bis das letzte künstliche Licht des Lagers mit einem Schauder verschwand und die Nacht die Erde in ihren Mund nahm.

Am nächsten Morgen, er hatte gerade aufgesattelt, lief ein junger Mann herbei, ergriff das Halfter des Dromedars und begrüßte ihn eifrig. Erkennen Sie mich nicht wieder? Dieser aufdringliche Kerl, der sich ihm in Kairo, auf dem Markt, aufgezwungen hatte.



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